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Gefühle sind schneller als der Verstand

Gefühle haben eine besondere Macht. Ein aktueller Gefühlszustand hat einen entscheidenden Einfluss auf so essentielle Fragen wie die Gesamteinschätzung des eigenen Lebens. Hans-Otto Thomashoff ergänzt: „Die aktuelle Stimmungslage beeinflusst unser Urteil, denn alles, was an Eindrücken auf uns einwirkt, wird immer auf der Basis unserer gespeicherten Erfahrungen emotional bewertet.“ Gefühle dienen der raschen Reaktion, sind schneller als der Verstand, der ja gegebenenfalls den aus einem Gefühl entspringenden Handlungsimpuls hemmen kann. Gefühle sollen Menschen dabei helfen, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden, sind also wichtige Vereinfachungshilfen. Doch zugleich sind sie fehleranfällig. Aus dem Bauch heraus treffen Menschen Entscheidungen, die im Moment noch ihr Glück bedeuten, ihnen bald darauf schon darauf das Leben zur Hölle machen können. Hans-Otto Thomashoff ist Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychoanalyse in eigener Praxis in Wien.

Die menschlichen Grundgefühle sind angeboren

Hans-Otto Thomashoff betont: „Nur wenn Gefühl und Verstand in guter Feinabstimmung zusammenarbeiten, kann die menschliche Psyche optimal funktionieren und ein auf die jeweilige Situation zugeschnittenes, zielgerichtetes Handeln bestmöglich steuern.“ Die menschlichen Grundgefühle – etwa Freude, Überraschung, Furcht, Traurigkeit, Angst und Ekel – sind angeboren. Doch wie und in welcher Heftigkeit sie sich in welcher Situation zeigen, wird von der persönlichen Lebenserfahrungen bestimmt, weshalb jeder in seinen Gefühlsäußerungen individuell verschieden ist.

Was oft übersehen wird, ist die Tatsache, dass das menschliche Gehirn den Umgang mit seinen Gefühlen erst lernen muss. Hans-Otto Thomashoff erklärt: „Je besser es gelingt, die eigenen Gefühle an realen Lebenserfahrungen zu schulen, desto verlässlicher können sie gezielt genutzt werden. Im Lauf der Zeit baut sich so eine Intuition auf, die es erlaubt, situationsangemessene Entscheidungen auch ohne bewusstes Nachdenken zu fällen.“ Jeder, der seinen Beruf seit vielen Jahren routiniert ausübt, weiß um den unschätzbaren Wert dieser Erfahrung.

Bei ungestümen Gefühlen neigt der Verstand zu Fehlinterpretationen

Doch selbst den Routiniertesten fällt es schwer, angemessen zu reagieren, wenn die eigenen Gefühle zu heftig sind. Ein Extrembeispiel dafür sind Massenpaniken, bei denen sogar Menschen zu Tode getrampelt werden. Die Bilder der tragischen Ereignisse anlässlich der Loveparade in Duisburg sind vielen noch vor Augen. Hans-Otto Thomashoff erläutert: „Im heftigen Gefühl der Panik ist der Verstand außer Kraft gesetzt, ist nur noch der gefühlsgesteuerte Drang zum Handeln präsent – ohne Rücksicht auf Verluste.“

Gerade wenn die Gefühle ungestüm sind, neigt der Verstand zu Fehlinterpretationen. Etwa wenn Menschen nach einer durchzechten Nacht morgens mit mieser Laune aufwachen und nach einem Grund für ihren Zustand suchen. Hans-Otto Thomashoff weiß: „Wie sehr Gefühle unser Denken beeinflussen, ist von zentraler Bedeutung für die Politik. Denn wie, wenn nicht durch die Macht der Gefühle, lassen wir Bürger uns manipulieren und instrumentalisieren? Sofern wir nicht bewusst gegensteuern.“ Quelle: „Mehr Hirn in die Politik“ von Hans-Otto Thomashoff

Von Hans Klumbies

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